Georgenhof
Der Georgenhof - ungewöhnliches Baudenkmal in Blankenburg
Unter den zahlreichen historischen Gebäuden in Blankenburg, ist der Georgenhof wohl das eigentümlichste. Ganz gleich, welches Baudenkmal in Blankenburg man auch immer betrachtet - das große und das kleine Schloss, das Rathaus, das Kloster Michaelstein oder die Bartholomäuskirche - sein ursprünglicher Zweck ist bereits auf den ersten Blick zu erkennen.
Anders ist das beim Georgenhof. Das schlichte zweigeschossige etwa 150 m lange barocke Hauptgebäude an der Herzogstraße, das gemeinsam mit seinen Nebengebäuden einen weiträumigen Hof umschließt, gibt auch auf den zweiten Blick Rätsel über seine ursprüngliche Bestimmung auf. Dazu trägt auch der die rückwärtige Begrenzung des Georgenhofs bildende langgestreckte flache Fachwerkbau mit seinen zahlreichen Türen bei, in dem von Besuchern häufig Arrestzellen vermutet werden.
Wer zunächst an ein Wohn- oder Amtshaus oder gar Gefängnis gedacht hat, gerät in Zweifel, wenn er den Mittelteil des Hauptgebäudes betrachtet, ein risalitartig aus der Gebäudefront hervortretendes Bauwerk, das auf der Straßenseite mit 3 gotischen Fenstern versehen ist, die weit in das Obergeschoss hinein ragen. Sein Dach ist von dem des restlichen Gebäudes abgehoben und trägt auf seiner Spitze eine barocke Dachlaterne, auf deren Wetterfahne St. Georg zu Pferde als Drachentöter zu erkennen ist.
Diese Gestaltung ließe eher auf ein Kloster oder eine Schule schließen. Doch der lange nach der Reformation 1715-1790 erbaute protestantische Georgenhof kann als ein Kloster nicht in Betracht kommen. Und für eine Schule wäre der Hof ebenso zu groß, wie er für den Exerzierplatz einer Kaserne zu klein wäre.
So scheint der Schluss auf einen Sakralbau am nächstliegenden zu sein, zumal sich heute in dem Zentralbau auch die evangelisch-lutherische Lutherkirche befindet. Aber warum befindet sich mitten in einem Gebäude eine Kirche, die so groß ist, dass sie heute Gemeindekirche sein kann?
Der Georgenhof ist bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein ein Altenheim gewesen, das aus einem mittelalterlichen Hospital hervorgegangen ist. Und deshalb knüpft seine Gestaltung an die Bauweise der mittelalterlichen Hospitäler an, die bereits im frühen Mittelalter bei Klöstern entstanden. Der Georgenhof geht auf das Hospital beim Kloster Michaelstein zurück.
Bei dem Begriff Hospital denkt man zumeist an ein Krankenhaus und verbindet beim Betrachten des Georgenhofs damit die Frage, wie denn aus einem Krankenhaus ein Altenheim geworden sein könne. Doch die Antwort ist einfach. Ein mittelalterliches Hospital konnte zwar auch Krankenhaus sein, doch war dies nur eine von zahlreichen möglichen Aufgaben. Der Auftrag eines mittelalterlichen Hospitals folgt aus dem, was Jesus Christus im Matthäus Evangelium Kapitel 25 Verse 34-46 als die Werke der Barmherzigkeit nennt:
Hungernde zu speisen
Durstige zu tränken
Fremde zu beherbergen
Nackte zu kleiden
Gefangene zu besuchen
(später angefügt) Tote zu bestatten
Diese Zwecke verfolgte ein mittelalterliches Hospital, wobei nicht von jedem Hospital sämtliche Zwecke verfolgt wurden, sondern nur diejenigen, wo nach den örtlichen Gegebenheiten die Not am größten war. Die Mittel für ein Hospital stammten in der Regel aus Schenkungen vermögender Adliger oder Landesherren, die hofften, durch ein solches gutes Werk ihr Seelenheil zu gewinnen.
Als das Monopol der Klöster für Hospitäler im 14. Jahrhundert endete, traten mehr und mehr Bürgerstiftungen an die Stelle der klösterlichen Hospitäler. In diesen Hospitälern galten strenge Regelungen für deren Betreute und harte Strafen für deren Übertretung. Was heute oft als als Disziplinierung um ihrer selbst willen missverstanden wird, hatte aber einen ganz anderen Grund.
Die Stifter wollten, dass die Betreuten auch für das Seelenheil der Stifter beteten. Dabei gingen sie davon aus, dass das Gebet Gerechter bei Gott mehr bewirken könne als das Gebet sündiger Menschen. Deshalb waren sie bestrebt, dafür zu sorgen, dass möglichst alle in dem Hospital Betreuten Gerechte waren, damit deren Gebet für das Seelenheil besonders wirksam war.
Das Ergebnis dieser Überlegung war, dass in den Hospitälern regelmäßig besonders gottesfürchtige Menschen zusammentrafen und sich allein daraus eine enge christliche Gemeinschaft mit demokratischen Strukturen bildete, in der jeder seine Aufgaben hatte. Eine solche Gemeinschaft bestand auch im Georgenhof noch bis in die DDR-Zeit hinein.
Für eine solche Gemeinschaft bildete der Gottesdienst und damit auch die Kapelle den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Und dieses Programm fand seinen Ausdruck in einer besonders aufwendigen und großzügigen Gestaltung der Kapelle, die im auffälligen Gegensatz zu der Schlichtheit der übrigen Gebäude steht. Nachdem die reiche Stuckdecke der Kapelle eingestürzt und die Stuckaturen an ihren Wänden beseitigt worden sind, hat die Kirche leider vieles ihrer alten Pracht eingebüßt.
Bei den mittelalterlichen klösterlichen Hospitalen, die von Orden betrieben wurden, bestanden feste Regeln auch für die bauliche Gestaltung, deren Einhaltung streng überwacht wurde. Vorbild war das Kloster von St. Gallen in der Schweiz. Als im 14. Jahrhundert allmählich bürgerlichen Stiftungen an die Stelle der Klöster als Rechtsträger von Hospitalen traten, blieb auch dort die Kapelle das Zentrum des Hospitals, da die Sorge des Stifters um sein Seelenheil ein Hauptziel seiner Stiftung war.
Wenn es später in nachreformatorischer Zeit der Gedanke der christlichen Nächstenliebe war, der die Menschen zu Zustiftungen an die Stiftung motivierte, so blieb es gleichwohl bis in das 20. Jahrhundert hinein dabei, dass an bestimmten Tagen der Stifter in besonderen Gottesdiensten gedacht und für sie gebetet wurde. Das Gebet für die Stifter ist heute jedoch nicht mehr Bestandteil der Gotttesdienste im Georgenhof.
Der alte Georgenhof, den Graf Heinrich von Reinstein 1318 auf der anderen Seite der Herzogstraße errichtete und dessen bauliche Anlage Vorbild für den heutigen Georgenhof gewesen ist, zeigt, wie sehr an dem Baustil des mittelalterlichen klösterlichen Hospitals bis in die heutige Zeit hinein festgehalten wurde.
Übrigens der große Hof war nicht immer Hof gewesen, sondern wurde früher als Gartenland zur Versorgung der Bewohner genutzt, denn angesichts der Armut der Stiftung hätte es Verschwendung von Recourcen bedeutet, wenn die Außenflächen brach gelegen hätten. Das bis in die moderne Zeit hinein. Bei Rückgabe des Georgenhofs an die Stiftung 1992 wurden noch Gemüsebeete und Obstbäume auf dem Hof vorgefunden. Selbst heute stehen davon noch zwei Walnussbäume und zwei Obstbäume.
Wer ist auf dem Georgenhof?
Zur Zeit sind auf dem Georgenhof folgende Einrichtungen:
- Schuldnerberatungsstelle des Diakonie im Braunschweiger Land
- Jugendzentrum der Propstei Bad Harzburg
- Ev.-luth. Kirchengemeinde Blankenburg (Lutherkirche, u.a.
- Kinder- und Altenarbeit
- Frauenzentrum
- Regionaldiakon der Propstei Bad Harzburg
- kirchliche Buchungsstelle
Seit wann gibt es die Stiftung St. Georgenhof zu Blankenburg?
Der heutige Georgenhof entstand in der Zeit zwischen 1715 und 1790. Es gab jedoch einen Vorgängerbau, den Graf Heinrich von Reinstein für die Stiftung bereits im Jahr 1318 als mittelalterliches Hospital errichtete. Dieses Stiftungsgebäude befand sich gegenüber dem heutigen Georgenhof, dort wo heute die Ruine des Hotels Kaiserhof, später Bahnhofshotel, steht.
Darüber, ob die Anfänge der Stiftung bis in die Zeit des Hospitals beim Klosters Michaelstein zurück reichen, besteht keine Einigkeit, wenn auch die Mehrheit im Schrifttum davon ausgeht, dass die Stiftung auf das erstmals im Jahr 1212 urkundlich erwähnte Hospital beim Kloster Michaelstein zurückgeht. Schon die Tatsache, dass das Hospital beim Kloster Michaelstein um 1318 aufgegeben und um die gleiche Zeit das Hospital von Graf Heinrich errichtet wurde, legt die Annahme nahe, dass das Hospital unter Zustiftung durch Graf Heinrich in den Neubau verlegt wurde. Leuckfeld, ein
bedeutender Historiker seiner Zeit, berichtet im Jahr 1710, dass ihm eine Urkunde vorgelegen habe, die eine Verlegung des Hospitals beim Kloster Michaelstein in den alten Georgenhof bezeugt. Die überwiegende Mehrheit in der Literatur stimmt daher Leuckfeld zu. Doch leider ist die Urkunde inzwischen verloren gegangen, so dass heute Zweifel an der Aussage Leuckfelds nicht vollständig widerlegt werden können. So geht auch der Stiftungsvorstand davon aus, dass die Stiftung aus dem Hospital beim Kloster Michaelstein hervorgegangen ist.
Auch wenn Rom bereits früher vorgeschrieben hatte, dass jedes Kloster ein Hospital haben musste, wird ein Hospital beim Kloster Michaelstein urkundlich erstmals im Jahr 1212 erwähnt. Dabei wird berichtet, dass Graf Siegfried von Blankenburg das Hospital unterhalb des Kreuzganges von Neuem errichtet" und in die Verwaltung des Klosters gegeben hat. Es muss also bereits einen Vorgängerbau gegeben haben. Die Bindung der Blankenburger Grafen an das Kloster war sehr eng. Sie wendeten dem Hospital mehrmals hohe Schenkungen zu. Ein Graf war sogar einmal selbst Mönch in dem Kloster. Dass das Hospital beim Kloster Michaelstein bei seiner Schließung an die Blankenburger Grafen 1318 abgegeben wurde, ist auch aus dieser Sicht nahe liegend.
Auch wenn das Hospital beim Kloster Michaelstein noch wesentlich älter gewesen sein muss, gehen wir daher vom Begründungsjahr der Arbeit der Stiftung St. Georgenhof 1212 aus.